Wie sich die Zeiten doch immer wieder gleichen!
Im Oktober 1929 gab es in der New Yorker Wallstreet den Zusammenbruch der Börse, der die Weltwirtschaftskrise nach sich zog.
Im Winter 1929/1930 geriet auch die deutsche Wirtschaft in diesen Strudel und das hatte fürchterliche Folgen:
Der Kapitalstrom nach Deutschland versiegte und der Aussenhandel ging dramatisch zurück, was Bankenschließungen, Firmenzusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, was wiederum zu sprunghaftem Anstieg von Armut und Kriminalität führte.
Ein Gedicht von Kurt Tucholski aus dem Jahre 1930 wurde damals überall veröffentlicht und es ist verblüffend, wie es noch genau, wie damals, in die Zeit passt:
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer bei fast allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land,
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
Hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Unverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird ein bisschen Krieg
gemacht.