Manfred
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Von einer guten Schwester ein gutes Gespräch, das sie mit Me
Eine Tochter kam zu einem Predigerkloster und verlangte nach Meister Eckehart. Der Pförtner sagte: "Wen soll ich ihm melden?" Sie sprach: "Ich weiß es nicht." Er sagte: "Warum wißt Ihr das nicht?" Sie sprach: "Weil ich weder ein Mädchen bin noch ein Weib noch ein Mann noch eine Frau noch eine Witwe noch eine Jungfrau noch ein Herr noch eine Magd noch ein Knecht." Der Pförtner ging zu Meister Eckehart (und sprach): "Kommt heraus zu der wunderlichsten Kreatur, von der ich je hörte, und laßt mich mit Euch gehen und steckt Euern Kopf hinaus und sprecht: 'Wer verlangt nach mir?'" Er tat so. Sie sprach zu ihm, wie sie zum Pförtner gesprochen hatte. Er sprach: "Liebes Kind, deine Worte sind wahr und schlagfertig: erkläre mir genauer, wie du es meinst." Sie sprach: "Wäre ich ein Mädchen, so stünde ich (noch) in meiner ersten Unschuld; wäre ich ein Weib, so würde ich das ewige Wort ohne Unterlaß in meiner Seele gebären; wäre ich ein Mann, so böte ich allen Sünden kräftigen Widerstand; wäre ich eine Frau, so hielte ich meinem lieben, einzigen Gemahl die Treue; wäre ich eine Witwe, so hätte ich ein ständiges Sehnen nach meinem einzigen Geliebten; wäre ich eine Jungfrau, so stünde ich in ehrfürchtigem Dienst; wäre ich ein Herr, so hätte ich Macht über alle göttlichen Tugenden; wäre ich eine Magd, so hielte ich mich Gott und allen Kreaturen demütig unterworfen; und wäre ich ein Knecht, so stünde ich in schwerem Wirken und diente meinem Herrn mit meinem ganzen Willen ohne Widerrede. Von alledem miteinander bin ich keines und bin ein Ding wie ein ander Ding und laufe so dahin." Der Meister ging hin und sagte zu seinen Brüdern: "Ich habe den allerlautersten Menschen vernommen, den ich je gefunden habe, wie mich dünkt."
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